Impulse für Kooperation und Vernetzung – erster grenzüberschreitender Workshop zur Unternehmensnachfolge

Rund 65 niederländische und deutsche Teilnehmende von zahlreichen Institutionen, Kammern, Wirtschaftsförderungen und Beratungsgesellschaften tauschten sich am 9. Juni im WZG in Gronau über öffentliche und private Unterstützungsangebote für von der Nachfolge betroffene Unternehmen dies- und jenseits der Grenze aus.

Das Veranstaltungsprogramm vermittelte mit einer Mischung aus deutschen und niederländischen Vorträgen, moderierter Talkrunde und Get-together viel Know-how, beleuchtete verschiedene Ansätze aus der Praxis und zeigte am Ende erste Ansatzpunkte für eine künftig engere Kooperation und Vernetzung von deutschen und niederländischen Nachfolge-ExpertInnen auf.

„Uns war wichtig die Multiplikatoren, die sich dies- und jenseits der Grenze mit dem Thema Unternehmensnachfolge befassen, zusammenzubringen, denn die Suche nach einem geeigneten Unternehmensnachfolger beschäftigt viele Unternehmen beiderseits der Grenze immer stärker“, so Ingo Trawinski, Prokurist und Leiter der WFG-Betriebsberatung. Er zeigte sich mit seinen Mitorganisatoren, darunter die Wirtschaftsförderungsgesellschaften des Münsterlandes, der Grafschaft Bentheim, die Wirtschaftsförderung Osnabrück und zahlreiche Institutionen aus den Niederlanden, sehr zufrieden mit dem Tagesergebnis.

Christoph Almering, Geschäftsführer der EUREGIO, wies in seiner Begrüßung auf die eklatante Nachwuchssituation hin und appellierte mit 360-Grad-Blick in Chancen zu denken und gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Dabei sei auch mit Blick auf den demografischen Wandel eine Fachkräfteinitiative allein nicht ausreichend.

Annika Hörnschemeyer, Nachfolgemoderatorin der Handwerkskammer Osnabrück-Emsland-Grafschaft Bentheim, gab in ihrem Vortrag Einblicke, wie sich die Nachfolgesituation in Deutschland allgemein darstellt. Sie stellte geförderte Projekte vor und Studien, die Hemmnisse der Unternehmensnachfolge untersucht haben. Überhaupt einen Nachfolger zu finden, sich dann auf den Kaufpreis für das Unternehmen zu einigen und die Bürokratie abzuwickeln seien die größten Hürden. In einer sich wandelnden Arbeitswelt zeichne sich jedoch auch ab, dass die Selbstständigkeit immer stärker als Belastung für die Familie gesehen werde und daher immer häufiger zu einer ablehnenden Haltung bei der Unternehmensnachfolge führt. Die Expertin konstatierte eine insgesamt steigende Nachfrage nach Übergabe- und Übernahmeberatungen, wobei emotionale und psychologische Themen eine immer größere Rolle spielen. „Betriebe benötigen Unterstützung, um ihre Übergabefähigkeit nicht zu verlieren“, so Hörnschemeyer.

Gerjan Bremmer, MBK Ondernemensadviseur, stellte sehr eindrucksvoll das niederländische Coaching-Modell von Family Next vor. Um vor allem familieninterne Spannungen bei der Unternehmensnachfolge zu bearbeiten, werden hier Coaches eingesetzt, die selbst über viele Jahre unternehmerische Erfahrung verfügen. Das Coaching findet nicht selten über einen längeren Zeitraum statt und beleuchtet zugleich auch Themen wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Den Austausch untereinander können Unternehmen bei Family-Next in einem sogenannten „Voneinander-Lernen-Kreis“ vertiefen. Das Coaching wird mit 2.000 Euro gefördert. Aus der Praxis berichteten Coach Lucien G.J. Game und Benno Schildkamp, Restaurantinhaber aus Glane. In intensiver Betreuung wurde der Gastronomiebetrieb nachfolgefit gemacht, z.B. durch das Ändern der Gesellschaftsform. Vor allem wurde deutlich, dass es bei der sehr persönlichen und intensiven Begleitung um viele Familieninternas und Emotionen geht. „Als Coach spreche ich das an, was in der Familie zur Nachfolgeregelung nicht angesprochen wird“, so der Coach.

Workshop DNL Unternehmensnachfolge
Workshop Unternehmensnachfolge DNL

Einen Blick auf Fördermöglichkeiten und Unterstützungsangebote durch die NRW.BANK bei grenzüberschreitenden Übernahmen warfen Justus Schünemann und Elisabeth Leidinger von der NRW.BANK. Die Analyse des Übernahmekonzeptes, des Zielunternehmens, die Recherche und Bonitätsprüfung sowie die Prüfung der Finanzierungsstruktur sind dabei wichtige Schritte für einen soliden Übernahmeweg.

Allein 1.800 Unternehmen, darunter  50 Prozent Familienunternehmen, stehen in den Niederlanden jährlich vor der Nachfolgesituation. Dr. Judith van Helvert-Beugels von der Fachhochschule Windesheim erläuterte in ihrem Vortrag, wie sich die Unternehmensnachfolge in den Niederlanden darstellt. Sie zeigte business-soziale Faktoren auf, die Einfluss auf die Unternehmensnachfolge haben. So sind z.B. 40 Prozent der StudentInnen gründungsaffin, wenn bereits die Eltern UnternehmerInnen sind. Unternehmerfamilien fühlen sich häufig verantwortlich für allgemeine gesellschaftlichen Probleme und sind nicht selten auch vor diesem Hintergrund motiviert, das Unternehmen zu erhalten. Häufig laufen Übernahmen nicht reibungslos. Als Gründe hierfür führte sie an, dass sich keine Nachfolger finden lassen, der Nachfolgeprozess zu wenig professionell läuft oder auch interne Familieneinflüsse, wie z.B. die heimliche Nachfolgevorliebe oder die Nachfolgereihenfolge die Nachfolge behindern oder verzögern können.  Dabei werde die Komplexität über die Jahre und durch die Anzahl der Familienmitglieder größer. Daher sei Unternehmensnachfolge nie ein linearer Prozess. Als wertvolle Unterstützungsmöglichkeiten nannte sie Locale Communicties, Training und Education und einen kundenorientierten Ansatz, um Studenten mit Unternehmen zusammenzubringen, damit die Unternehmen in den Niederlanden erhalten bleiben.

Moderator Dr. Johannes Reef, DNL-contact Steinfurt, entlockte den TeilnehmerInnen der Talkrunde Michael Terhörst, Fusstapfen.com, Petra Detering, VMO Vereinigde Maakindustrie Oost, Michael Meese, IHK Nord Westfalen und Olaf Kroondijk, Waardevisio Hengelo, spannende Statements zu sehr verschiedenen Angeboten und Blickwinkeln zur Unternehmensnachfolge. „Jeder übergebt sein Unternehmen schließlich nur einmal und will einen guten Deal machen. Was sind die Value Driver in der Betriebsbewertung? Was kann man noch tun, um den Wert des Unternehmens zu erhöhen. Und wie bereitet man sich vor auch auf ‚fiese Fragen‘ des Übernehmens, die sicher kommen werden“, so z.B. Olaf Kroondijk, der Unternehmen bei Betriebsbewertungen berät. Portale, wie Fusstapfen.com, die Sensibilisierung für das Thema, Veranstaltungs- und Informationsangebote helfen, Nachfolge interessierte Unternehmen bedürfnisgerecht abzuholen und beide Seiten an einen Tisch zu bringen, waren sich die Talkgäste einig.

Aktiv brachten sich die Teilnehmenden der Veranstaltung auch in die abschließende Fragerunde ein, so dass das Resumée schnell fest stand:

Um Nachfolge interessierten Unternehmen und auch den Anteil der latent suchenden Unternehmen mit 360Grad-Blick dies und jenseits der Grenze zu erreichen, ist eine Vernetzung der Multiplikatoren ein wichtiger Schritt. Ob ein gemeinsames Förderprojekt wie INTERREG-6 hilfreich für ein nachhaltig arbeitendes Netzwerk sein kann, soll im nächsten Schritt geprüft werden. Ebenso sollen Hochschulen für den Austausch mit StudentInnen eingebunden und gemeinsame Angebot transparenter gemacht werden. Der gemeinsame Erkenntnisgewinn:

„Wij kunnen veel von elkaar leren!“ / „Wir können viel voneinander lernen!“

Der Workshop ist Teil des Themenbereichs Wirtschaft im Rahmen des grenzüberschreitenden Kooperationsprogramms Memorandum Oost-Nederland – Münsterland.

Die Veranstaltung wird aus dem Rahmenprojekt INTERREG VA für das EUREGIO-Gebiet gefördert.

(Quelle des Originaltextes: Kreis Borken)